Es könnte so schön einfach sein: Nachdem der Sommerurlaub gebucht wurde kennt die Vorfreude bei Familie Müller keine Grenzen. Da ihm die Gesundheit seiner Familie wichtig ist bemüht sich der Vater der Familie natürlich um den passenden Versicherungsschutz fürs Ausland. Auch hier scheint alles glatt zu laufen: Schließlich spricht die Gesetzliche Krankenkasse, bei dem das Familienoberhaupt versichert ist, eine klare Empfehlung für eine Auslandskrankenversicherung aus. Papa Müller zögert daher nicht lange und schnappt direkt zu – schließlich hat sich seine Krankenkasse in der Vergangenheit stets als verlässlicher Partner erwiesen.

Die Realität sieht leider anders aus. Denn was der Vater aus unserem fiktiven Beispiel (noch ) nicht weiß: Die von den Gesetzlichen Krankenkassen empfohlenen Reiseversicherungen sind oftmals mangelhaft und bieten keinen umfassenden Schutz. Wir wollten es genauer wissen und haben daher 19 deutsche Krankenkassen im Hinblick auf Ihre Empfehlungen untersucht – und sind dabei leider über einige Mängel gestolpert.

Nahezu alle Partner-Tarife sind mangelhaft

Wir haben 19 gesetzliche Krankenkassen untersucht, die zusammen über 40 Millionen Menschen versichern. Alle werben damit ihre, Kunden auch im Hinblick auf den Versicherungsschutz im Ausland stets gut zu beraten und so umfassend abzusichern. Voll umfänglich beraten und versichert können sich mit Blick auf die empfohlenen Auslandskrankenversicherungen nach unserer Untersuchung jedoch nur Kunden von vier Kassen fühlen.

Konkret handelt es sich dabei um die Kunden der Audi BKK mit dem Kooperationspartner HanseMerkur, der Barmer in Zusammenarbeit mit der HUK Coburg, der DAK Gesundheit in Kooperation mit der HanseMerkur sowie der Techniker Krankenkasse TK mit dem Vertragspartner Envivas. Alle anderen arbeiten entweder nicht mit einem Partner zusammen oder empfehlen ihren Verscherten Tarife, die entweder zu teuer sind oder keinen umfassenden Schutz bieten.

7 von 19 Krankenkassen haben keinen Kooperationspartner für die Auslandskrankenversicherung

Hintergrund: Service der GKV im Ausland verboten

Im Mai 2016 hat das Bundessozialgericht letztinstanzlich bestätigt, dass es Gesetzlichen Krankenversicherungen generell verboten ist, selbst Auslandskrankenversicherungen anzubieten. Die Auswahl eines verlässlichen Partners ist also besonders wichtig. Wie unsere Untersuchung zeigt wird dieses Thema von den Gesetzlichen leider nur stiefmütterlich behandelt.

Die wichtigsten Unterschiede zwischen “guten” und “schlechten” Auslandskrankenversicherungen stecken im Detail: 3 Krankenkassen empfehlen beispielsweise Tarife, in denen ein Rücktransport ins Heimatland nur abgedeckt wird, wenn er „medizinisch notwendig“ ist. Hier klafft eine deutliche Leistungslücke im Vergleich zu anderen Tarifen, welche die Kosten auch dann übernehmen, wenn ein Rücktransport als „medizinisch sinnvoll“ betrachtet wird.

Darüber hinaus sind die privaten Versicherungspartner wenig transparent, geben die Leistungen der Tarife meist nicht verständlich an und bieten keine Auswahl an verschiedenen Tarifen. Nicht zuletzt im Hinblick auf die Frage nach Selbstbehalt und Preis gibt es einige wichtige Unterscheidungsfaktoren.

Verbot für GKV – Urteil des Bundessozialgerichts (05/2016)

Am 31.05.2016 hat das Bundessozialgericht letztinstanzlich entschieden, dass gesetzliche Krankenkassen keine kostenlosen oder eigenen Auslandskrankenversicherungen anbieten dürfen (Bundessozialgericht Aktenzeichen: B 1 A 1/15 R , B 1 A 2/15 R, : B 1 A 3/15 R).

Viele gesetzlichen Krankenkassen sind daher eine Kooperation mit privaten Versicherungspartnern eingegangen – dies jedoch leider nicht immer zum Vorteil ihrer Kunden. Diese privaten Versicherungspartner klären ihre Kunden nur sehr unzureichend über den jeweiligen Tarif und die entsprechenden AVB auf. Informationen sind schwer zugänglich, eine einheitliche und transparente Lösung gibt es nicht. Auch eine Auswahl an Tarifen und den entsprechenden Vergleich suchen Kunden vergebens.

Der Großteil der GKVs hat einen Kooperationspartner

Den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) ist es verboten Ihren Kunden auch Leistungen für das Ausland anzubieten und Behandlungen zu bezahlen, mit Ausnahme von EU-Staaten beziehungsweise den Ländern, mit denen ein Sozialversicherungsabkommen besteht. Rücktransporte nach Deutschland dürfen beispielsweise generell von keiner GKV organisiert und bezahlt werden.

12 von 19 gesetzlichen Krankenkassen arbeiten mit einer privaten Auslandskrankenversicherung zusammen.

Deshalb arbeiten die GKV mit privaten Auslandskrankenversicherungen zusammen und empfehlen diese ihren Kunden. Dabei setzen die Krankenversicherungen nicht auf eine Vergleichsauswahl an Auslandskrankenversicherungen, sondern arbeiten nur mit einer privaten Versicherung zusammen – und das ist häufig nicht zum Vorteil ihrer Kunden. Denn die privaten Kooperationspartner bieten teilweise überteuerte oder veraltete Tarife an, von denen wir als Versicherungsexperten den Interessenten abraten. Hier sind einige Negativbeispiele:

Die Handelskrankenkasse HKK empfiehlt ihren Kunden für Auslandsreisen einen Tarif der LVM Versicherung, der veraltet und daher nicht empfehlenswert ist. In diesem Tarif der LVM wird der wichtige Rücktransport nach Deutschland beispielsweise nur eingeschränkt ermöglicht. Ein Rücktransport erfolgt nur wenn dieser “medizinisch notwendig” ist.

Darüberhinaus kann der versicherte Zeitraum mit 42 Tagen nicht mit dem Testsieger-Tarif mithalten, der alle Reisen bis zu einer Dauer von 56 Tagen im Jahr versichert. Auch das Rooming-In wird nicht übernommen. Das bedeutet, dass die Aufenthaltskosten im Krankenhaus für die Eltern, im Falle einer Erkrankung des Kindes, nicht übernommen werden.

→ Diese Auslandskrankenversicherung ist nicht empfehlenswert!

Die Kaufmännische Krankenkasse KKH hat eine Kooperation mit der Deutschen Familienversicherung. Hier wird ein Tarif empfohlen, der den medizinisch sinnvollen Rücktransport nach Deutschland nicht übernimmt. Ein Rücktransport findet nur statt, wenn dieser wirklich “medizinisch notwendig” ist.

-> Diese Auslandskrankenversicherung ist nicht empfehlenswert

Die oben genannten Beispiele zeigen, dass die Gesetzlichen Krankenkassen Ihren Versicherten leider nicht selten Auslandskrankenversicherungen mit zum Teil frappierenden Deckungslücken empfehlen.

Das liegt jedoch keinesfalls daran, dass es am Markt keine besseren Tarife geben würde. Im Gegenteil: In ihrer aktuellen Untersuchung zum Thema Auslandskrankenversicherung attestiert die Stiftung Warentest der Branche ein gutes Zeugnis: Demnach haben sich die Versicherungen aus Verbrauchersicht in den letzten Jahren deutlich verbessert. Wer heute eine Auslandskrankenversicherung abschließt erhält im Vergleich zur Vergangenheit in der Regel deutlich bessere Leistungen zu einem geringeren Preis.

Die Vertragspartner der gesetzlichen Krankenkassen auf einen Blick

Versicherer Vertragspartner
AOK Plus Kein Partner
Audi BKK HanseMerkur
Barmer GEK HUK Coburg
BIG direkt gesund ERV
BKK firmus Kein Partner
BKK Mobil Oil ERV
BKK Pfalz Kein Partner
DAK Gesundheit HanseMerkur
Die Schwenninger Kein Partner
HEK Kein Partner
HKK LVM
IKK Classic Signal Iduna
IKK gesund Plus Kein Partner
KKH Deutsche Familienversicherung
Knappschaft Gothaer
MH Plus HALLESCHE.Kolumbus
Salus BKK Kein Partner
Sekurvita BKK Barmenia
Techniker Krankenkasse TK Envivas

Einige Tarife übernehmen nur bedingt den Rücktransport

Gerichtsurteile aus den letzten Jahren haben deutlich gezeigt, dass es einen großen Unterschied zwischen medizinisch sinnvollen und medizinisch notwendigen Leistungen gibt.

Sollte eine Leistung nur dann übernommen werden, wenn sie “medizinisch notwendig” ist, gilt dies zum Beispiel bei akuten Beschwerden. Ein Arzt muss die Behandlung zuvor nicht nur für sinnvoll, sondern als absolut notwendig erklären. Die Vorbedingung für eine Kostenübernahme sind also sehr restriktiv.

Drei der von uns untersuchten Tarife enthalten die “medizinisch notwendig”-Klausel

Anders ist dies bei der Formulierung “medizinisch sinnvoll“: Hier hat der Arzt deutlich mehr Spielraum und kann auch Behandlungen durchführen, die vielleicht nicht absolut notwendig sind, aber dennoch die Situation des Patienten verbessern. Wenn beispielsweise ein medizinisch sinnvoller Rücktransport versichert ist, kann der Patient nicht nur für eine notwendige komplizierte Operation zurück nach Deutschland gebracht werden, sondern auch, wenn der Patient bei seiner Familie sein möchte.

Fazit: Empfehlungen der gesetzlichen Krankenkassen in der Regel mangelhaft – eigenständiger Vergleich lohnt sich

Aufgrund der gesetzlichen Auflagen bieten sich den gesetzlichen Krankenkassen nur wenige Möglichkeiten, sich von ihren Wettbewerbern zu differenzieren. Es ist daher umso erstaunlicher, dass viele vor diesem Hintergrund die Chance nicht wahrnehmen, ihren Versicherten durch eine gute Beratung zum Thema „Schutz im Ausland“ einen echten Mehrwert zu bieten. Schlimmer noch: der Großteil der in unserem Test untersuchten Krankenversicherungen empfehlen ihren Kunden noch immer kundenunfreundliche Tarife für den Auslandsschutz.

Wir raten daher dringend davon ab, Versicherungen direkt über einen Vertragspartner der gesetzlichen Krankenversicherungen abzuschließen. Denn keine der Krankenkassen arbeitet mit den aktuellen Testsiegern der Stiftung Warentest Finanztest (04/2017) zusammen. Das rächt sich: Denn die stattdessen ausgewählten Tarife der Vertragspartner können im Hinblick auf den Leistungsumfang nicht mit diesen mithalten.

Wir empfehlen daher, Reisekrankenversicherungen unabhängig vom Krankenkassen-Partner zu vergleichen. Denn trotz teilweise vorhandener Vergünstigungen können die jeweiligen Kooperationspartner nicht glänzen. 5 von 19 Tarifen waren trotzdem teurer als der Testsieger, die Preisunterschiede lagen bei bis zu sage und schreibe 200 Prozent!

Man sieht also: ein eigenständiger Vergleich lohnt sich!

jetzt vergleichen
GKV Partner (Tarif) Preis Rücktransport Note**
Testsieger** Ergo Direkt (Reise-Krankenschutz (RD)) 9,90 € sinnvoll 0,6
Audi BKK HanseMerkur (JRV) 9,90 € (+/-0%)* sinnvoll 0,9
Barmer HUK Coburg (Einzeltarif RB16) 9,00 € (-10%)* sinnvoll 1,2
BIG direkt gesund ERV (Jahres-Reisekranken-Versicherung ohne SB) 18,00 € (+200%)* sinnvoll 1,9
BKK Mobil Oil ERV (Jahres-Reisekrankenversicherung mit SB) 11,50 € (+16%)*  – 2,4
DAK Gesundheit HanseMerkur (RKJ) 9,90 € (+/-0%)* sinnvoll 0,9
HKK LVM (-) 7,50 € (-13%)* notwendig  –
OKK Classic Signal Iduna (Jahres-Reise-Krankenversicherung) 11,00 € (+9%)* sinnvoll 1,2
KKH DFV (Auslandsreiseschutz) 8,90 € (-10%)* notwendig 1,2
Knappschaft Gothaer (MediR) 15,00 € (+51%)* sinnvoll 1,0
MH Plus Hallesche Kolumbus (-) 12,50 € (+26%)* sinnvoll  0,8
Sekurvita BKK Barmenia (AN+) notwendig  –
Techniker Krankenkasse TK Envivas (Travel XN) 9,80 € (-1%)* sinnvoll 1,2

* Preis-Vor-/Nachteil gegenüber aktuellem Testsieger
** Quelle: Stiftung Warentest Finanztest (04/2017)